Evaluierungsstudie: LEADER und Soziale Innovation

Berater ÖAR: Robert LukeschNisrin Said, Michael Fischer, Luis Fidlschuster
Beratungsfeld: Regionen & Räume
Partnerfirma: ZSI
Projektzeitraum: Febr. 2018 bis Apr. 2019
Auftraggeber: BMNT – Abt. II/1

Eine Studie im Auftrag des BMNT

Gemeinsam mit dem Zentrum für Soziale Innovation (ZSI) in Wien hat das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus der ÖAR GmbH im Jahr 2018 den Auftrag erteilt, die Potenziale Sozialer Innovation im Rahmen von LEADER 2014-20 zu analysieren. Unter Sozialen Innovationen werden Handlungsweisen verstanden, die durch neue Formen der Zusammenarbeit öffentlicher, wirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Akteur*innen die Beziehungen und die Lebenssituation der Menschen verbessern. Die Studie versteht sich als Teil der Begleitung und Bewertung des Ländlichen Entwicklungsprogramms LE14-20.

Hintergrund
LEADER ist ein europäischer Entwicklungsansatz für lokale Entwicklung in ländlichen Regionen und ist seit 2007 in die Programme für ländliche Entwicklung aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds zur Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) integriert. Der LEADER-Ansatz basiert auf den methodischen Prinzipien einer territorialen, sektorübergreifenden, beteiligungsorientierten und innovativen Herangehensweise, fördert Vernetzung und überregionale Kooperation und wird in Form dezentralisierter Governance über privat-öffentliche Lokale Aktionsgruppen (LAGs) umgesetzt, die in Eigenverantwortung eine Lokale Entwicklungsstrategie (LES) erstellen und umsetzen.

Methoden
Die Vielschichtigkeit des Begriffs im gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskurs erforderte einen komplexen Forschungsansatz. Das Team war bestrebt, Wahrnehmungen aus unterschiedlichen Perspektiven aufzunehmen und sie auch mit verschiedenen Methoden zu untersuchen. Der erste Schritt war eine Online-Vollerhebung unter allen 77 LAGs mit einer Rücklaufquote von 82 %. Weiters wur-den mittels softwarebasierter Textanalyse die Lokalen Entwicklungsstrategien und alle online verfügbaren (1.628) Projektbeschreibungen ausgewertet.
Aus dem gewonnenen Material wählten die Forscher*innen der ÖAR und des ZSI acht Fälle Sozialer Innovation aus 8 verschiedenen LAGs beziehungsweise Bundesländern aus. Die Darstellung der Geschichten Sozialer Innovation folgte den methodischen Prinzipien der Innovationsbiographien.

Ergebnisse
Die gewonnenen Informationen erlauben die Einschätzung, dass der Anteil sozial-innovativer Projekte in LEADER laut Definition zwischen einem Sechstel und einem Drittel aller Projekte liegen dürfte. Projekte sind allerdings nicht der einzige Maßstab, an dem sich der Erfolg der Arbeit einer Lokalen Aktionsgruppe im Sinne Sozialer Innovation misst. Dazu gehört vor allem auch ihr Auftrag in der Sensibilisierung und Motivierung der Bevölkerung, der Vernetzung der Akteur*innen und damit der Ermöglichung und Förderung Sozialer Innovation im Vor- und Umfeld der konkreten Projektarbeit. Einige methodische LEADER-Prinzipien (Beteiligung, Kooperation,

Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Die Befunde zeugen von einem hohen Grad an Bewusstheit der führenden Akteur*innen hinsichtlich der LEADER-Methode und ihrer Handlungsprinzipien, die auf Veränderungen im sozialen Kapital und damit der Entwicklungsfähigkeit der Region abzielen. Die LAG als Dreh- und Angelpunkt für Soziale Innovation in LEADER kann eine Bandbreite unterschiedlicher Rollen einnehmen: Von der des Ermöglichers „by exception“ – da LEADER oft die einzige Möglichkeit einer niederschwelligen Unterstützung für Soziale Innovation darstellt – bis hin zur Rolle eines „sozialen Entrepreneurs auf Dauer“, wenn ihr in einem bestimmten Feld (Jugendarbeit, Freiwilligenkoordination) eine tragende Rolle in der Region anvertraut wird.
Projekte Sozialer Innovationen können bereits in der mehrjährigen Lokalen Entwicklungsstrategie (LES) angelegt sein, aber auch erst später spontan entstehen. Letzteres war in mehr als der Hälfte der von den Befragten selbst als sozial-innovativ eingestuften Projekte der Fall. Grundsätzlich scheint eine strategische Fokussierung auf Soziale Innovation von Nutzen zu sein. Denn in der Suche nach Lokalen Aktionsgruppen, die in beispielhafter Weise ein förderliches „Innovations-Ökosystem“ zu schaffen imstande sind, stießen die Forscher*innen vor allem auf solche LAGs, die Soziale Innovation – wie auch immer sie diese begrifflich fassen – bewusst anstreben, methodisch um-setzen und im Führungs- und Akteur*innenkreis reflektieren.
Die Fähigkeit der LAGs, in unterschiedliche Teile der Gesellschaft hineinzuwirken und Impulse von dort aufzugreifen, wird durch die Diversität der Zusammensetzung der führenden Akteur*innen gestärkt. In diesem Licht ist die 51 %-Regel für zivilgesellschaftliche Beteiligung in den Entscheidungsgremien der LAG als förderlich zu bewerten. Auch wirkt die Beteiligung der LAGs in überregionalen und transnationalen Netzwerken bereichernd.
Nahezu alle Gesprächspartner*innen befanden, dass zu viel Arbeitszeit für Finanzmanagement, Verwaltung und Berichtslegung aufzuwenden sei.
Daraus leiteten die Forscher*innen Empfehlungen an die Programmbehörden, den LAGs neben der Entscheidungshoheit über die Projektauswahl auch die nötigen Freiräume für die Umsetzung zu gewähren und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die finanzielle Abwicklung zu vereinfachen, Vorfinanzierungen für sozial-innovative Projekte zu ermöglichen und Projektanpassungen zu erleichtern.
Den LAGs empfehlen die Studienautor*innen, Soziale Innovation in den LES zu verankern und entsprechende Kompetenzen im Führungskreis aufzubauen, um die Kultur der Eigenitiative und Selbstorganisation in der Region zu fördern. Menschen und Organisationen, die sich in Sozialer Innovation engagieren, sollte mehr Anerkennung zuteil werden, wozu auch entsprechende Weiterbildungsangebote zählen.

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